Systematische Gedanken zu: Thomas Nagel – Geist und Kosmos

„Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist“, so lautet der Untertitel von Nagels Werk. In diesem erfahren teleologische Konzepte eine Wiederbelebung – nicht restlos überzeugend, wie ich zeigen werde.

Nagels Begrifflichkeiten [so wie ich sie verstanden habe]

geschichtlich: kausal | intentional | teleologisch
Bei einer kausalen Geschichte der Entstehung von Leben, Bewusstsein, Kognition und Werten ist die Richtung vom Zufall bestimmt. Bei einem intentionalen Verlauf greift ein Schöpfer an verschiedenen Stellen immer wieder korrigierend oder lenkend ein. Bei einem teleologischen Geschehen sind die Ziele der kosmologischen Entwicklung bereits in die Anfangsbedingungen eingeschrieben.

konstitutiv: reduktiv | nicht-reduktiv
Jedes der drei geschichtlichen Prinzipien kann nach Nagel entweder reduktiv oder nicht-reduktiv gedacht werden. Der klassische naturalistische Reduktionismus wäre eine reduktive Variante des kausalen Prinzips. Auch der Panprotopsychismus wäre eine reduktive Variante des kausalen Prinzips.
Nicht-reduktiv bedeutet, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, fachsprachlich nennt man das Emergenz. Nagel ist von der Erklärungskraft des kausalen Prinzips, egal ob reduktiv oder emergent gedacht, nicht überzeugt. Das intentionale Prinzip spart er mehr oder weniger aus, da er als Atheist ontologisch sparsam vorgehen möchte. Er spricht sich letztendlich für eine emergente Version des teleologischen Prinzips aus, da nur dieses einer Erklärung der vier genannten Phänomene beikommen könne. Er stellt keine neue Theorie auf, sondern umschreibt nur die notwendigen Grundeigenschaften einer ebensolchen.

Fazit und Kritik
Nagel beschreibt die Verbindung von Geist und Hirnprozessen zu Recht als notwendig. Gleichzeitig zeigt er die Erklärungslücken auf, die selbst dann blieben, wenn wir alles über Gehirne und ihre Funktionsweisen wüssten. So weit, so gut.
Seine „Naturteleologie“ erfordert ein indeterministisches Universum, das durch die in den Anfangsbedingungen angelegten Zwecke auf den ‚richtigen‘ Weg gebracht wird. Das mag man annehmen oder nicht, es sollte aber geklärt sein, inwiefern sich ein freier Wille in einem solchen Universum entfalten kann. Nagel spricht sich für einen inkompatibilistischen freien Willen aus, geht der eigentlichen Frage aber leider nicht weiter nach. Punkt 2: Emergenz. Es ist zwar eine schöne Vorstellung, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sein könnte, aber indem man dies propagiert, schiebt man das Problem nur auf. Statt mit der Frage, wie Bewusstsein etc. entsteht, müsste man sich dann mit der Frage befassen, wie Emergenz entsteht. Auch hier bleibt Nagel eine Antwort schuldig. Problem 3: Werterealismus. Damit lehnt er sich weit aus dem Fenster. Existieren Werte wie Gut und Böse tatsächlich in demselben Sinne wie Bewusstsein und Kognition existieren? Es gibt viele empirische Beispiele, die zeigen, dass moralische Vorstellungen stark kultur- und umweltgebunden sind. Am Schluss spürt man tatsächlich, dass er zwischen den Zeilen eine Art Theologie ex negativo betreibt. Dies kulminiert dann auch in seinem Schlusssatz: „Des Menschen Wille, zu glauben, ist unerschöpflich.“

Mich konnte Nagel nicht restlos überzeugen, aber es war ein interessantes Leseerlebnis.

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